Die Stärkung der elementaren Bildung hat den größten gesellschaftlichen sowie volkswirtschaftlichen Nutzen
Rund ein Monat vor der Nationalratswahl hört man von den politischen Parteien wenig Konkretes zu ihrem Programm für den Bereich der Elementarpädagogik. Beim Thema Ausbau der Kinderbildung und -betreuung sind sich die meisten Parteien einig, jedoch gibt es kein Konzept wie der aktuelle Personalmangel aufgefangen werden kann und schon gar nicht, wie ausreichend gut ausgebildetes Fachpersonal hinsichtlich einer Ausbauoffensive bereitgestellt werden kann.
„Die Ankündigung mehr Kleinkinder- und Kindergartenplätze zur Verfügung zu stellen, bringt bei der Nationalratswahl vielleicht entscheidende Wählerstimmen. Eine Ausbauoffensive anzukündigen, ohne ein langfristiges und qualitätsvolles Konzept, ist fahrlässig. Die ersten Lebensjahre sind für die weitere Bildungslaufbahn entscheidend, eine gute und flächendeckende elementare Bildung ist daher ein Muss“, bringt es Elmar Walter, Geschäftsführer der St. Nikolausstiftung, Trägerorganisation von rund 90 Kindergärten und Horten in Wien, auf den Punkt.
Frühe Kindheit ist die Basis für Bildungserfolg sowie Gesundheit
Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass das Gehirn bis zum sechsten Lebensjahr ca. 90 Prozent der Erwachsenengröße erreicht. D. h. alle neuronalen Verbindungen, die sich in dieser Zeit im Gehirn bilden, werden in hohem Maße von der Umgebung beeinflusst, in der ein Kind aufwächst. Positive und vielfältige Erfahrungen in der frühen Kindheit bilden die Basis für Bildungserfolg, aber auch die körperliche und seelische Gesundheit. Aufgrund dieser Tatsache muss die zukünftige Regierung handeln und effektiv in elementare Bildung investieren.
Die Arbeit im Kindergarten ist vor allem auch Beziehungsarbeit. In der Eingewöhnungszeit ist unser wichtigstes Ziel, eine gute und vertrauensvolle Beziehung zu den Kindern aufzubauen und diese in der weiteren Kindergartenzeit zu leben. Alle Erfahrungen, die ein Kind zu Hause und im Kindergarten macht, prägen seinen weiteren Bildungsweg. Der Kindergarten ist für alle Kinder ein wichtiger familienergänzender Bildungs- und Lernort, besonders für sozio-ökonomisch schwächere oder Familien mit Migrationshintergrund. „Gute Rahmenbedingungen sind dafür eine notwendige Voraussetzung. Für uns bedeutet das, dass wir genügend gut ausgebildetes Personal zur Verfügung haben, der Fachkraft-Kind-Schlüssel wissenschaftlichen Standards entspricht, die Anzahl der Kinder in den Gruppen verringert wird, wir genug Zeit für mittelbare pädagogische Arbeit sowie Austausch mit interdisziplinärem Fachpersonal haben“, bekräftigt Susanna Haas, pädagogische Leitung der St. Nikolausstiftung, die Notwendigkeit zu agieren.
Akuter Handlungsbedarf in der elementaren Bildung
Ein Vergleich der Ausgaben gemessen am BIP zeigt deutlich, dass es keinen Fokus auf Elementarpädagogik im österreichischen Bildungssystem gibt. Einmal mehr müssen die skandinavischen Länder als Vorbild genannt werden, die zumeist über 1,5 Prozent vom BIP in elementare Bildung investieren, Norwegen sogar 2 Prozent. Österreich liegt mit rund 0,7 Prozent vom BIP sowohl im EU- als im OECD-Vergleich sogar unter dem Durchschnitt.
Die bevorstehenden Wahlen bieten die Chance, endlich den gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Wert der frühkindlichen Bildung anzuerkennen und richtungsweisende Handlungen für notwendige Verbesserungen zu setzen.
Wir fordern alle verantwortlichen PolitikerInnen und Parteien dazu auf, die Elementarpädagogik aufzuwerten, mit entsprechenden finanziellen Mitteln auszustatten sowie bundesweit eine großangelegte Recruiting- und Ausbildungsoffensive zu starten.
„Als eine der größten privaten Trägerorganisationen von Kindergärten und Horten haben wir die Pflicht, uns für Kinder stark zu machen, damit sich alle gut entwickeln können und eine gute Basis für ihre weitere Bildungslaufbahn sowie ihr gesamtes weiteres Leben haben. Das Fundament für die Bildungsarbeit im Kindergarten bilden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Arbeitsbedingungen zu verbessern, damit sie ihre Arbeit in elementarpädagogischen Einrichtungen auch so umsetzen können, wie sie es gelernt haben, ist uns ein wichtiges Anliegen. Alle politisch Verantwortlichen und Parteien sind daher aufgefordert, die elementare Bildung zu priorisieren und unmittelbar sinnvolle, richtungsweisende und langfristige Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung zu setzen“, fordert Elmar Walter.